Die Geschichte der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Eggenfelden ist eng mit der der evangelischen Geschichte der Region verbunden.
31. Oktober 1517
Martin Luther veröffentlicht die 95 Thesen „wider den Ablasshandel“. Die damit verbundenen Gedanken verbreiten sich in Windeseile in Europa. Unabhängig davon begann 1519 in der Schweiz die Reformation, angestoßen von Huldrych Zwingli.
Trotz staatlicher Strafandrohungen studierten einige Männer aus Pfarrkirchen und Eggenfelden kurz nach Luthers Tod an der Universität in Wittenberg (der damals einzigen evangelischen). 1527 predigt der in Eggenfelden geborene ehemals katholische Landshuter Pfarrer und zum evangelisch-zwinglianischen Glauben übergetretene Johann Lantsperger in der Schweiz.
1555
Der Augsburger Religionsfriede bestimmt, dass sie die Konfession der Untertanen nach der des Landesherren zu richten hat.
27. Oktober 1563
Reichsgraf Joachim I. führt in der Grafschaft Ortenburg die Reformation ein.
1559-1571
Gegenreformation im Herzogtum Bayern, zu dem das Rottal gehörte: Die Verbreitung des evangelischen Glaubens sollte eingedämmt bzw. rückgängig gemacht werden. Dennoch war in der Zeit zwischen 1564 und 1571 der Laienkelch beim Abendmahl erlaubt. Wie Aufzeichnungen aus der Zeit belegen, nahmen in Eggenfelden bis zu 30 Personen an Abendmahlsfeiern unter beiderlei Gestalt teil. Später drohte man mit dem Verlust des Bürgerrechts, halte man am Empfang des Laienkelches fest. Dennoch nahmen einige die Vertreibung aus Eggenfelden in evangelische Gegenden in kauf oder besuchten lutherische Gottesdienste in Braunau, Schärding, Ortenburg oder Wiesent (Opf.). 1571 klagt der Eggenfeldener Marktschreiber, dass man gegenüber der starken reformatorischen (=evangelischen) Bewegung einen herben Rückschlag einstecken habe müssen – ein Hinweis darauf, dass im Rottal viele mit der evangelischen Lehre sympathisierten.
22.02.1803
Infolge des Reichsdeputationshauptschlusses wird das Fürstbistum Passau säkularisiert, das heißt, nun dürfen dort nicht nur mehr Katholiken leben. Kurz darauf sind bereits 59 Evangelische in der Stadt Passau verzeichnet.
1816
1816 wird das evangelische Distriktdekanat Regensburg errichtet. Es umfasst zunächst nur die Stadt Regensburg und den Markt Ortenburg. Zur Kirchengemeinde Ortenburg gehörten damals neben der Grafschaft selbst das Gebiet von Arnstorf, Eggenfelden, Gangkofen, Griesbach, Pfarrkirchen, Pocking und Rottalmünster. (Nachbargemeinden waren Mühldorf und Braunau). Es ist ein flächenmäßig betrachtet ein riesiges Gemeindegebiet. Fahrzeuge stehen nicht zur Verfügung. Sogenannte „Reiseprediger“ versorgen die Gemeindeglieder zu Fuß, mit Hilfe von Pferdewägen (im Winter mit Pferdeschlitten).
1818
Die neue bayerische Verfassung von 1818 erlaubt allen, ihre Religion frei auszuüben – also auch den Evangelischen.
1834
Die 130 Evangelischen in Passau dürfen den früheren Speisesaal des ehemaligen Jesuitenkollegs (heute Aula des Leopoldinums) als Betsaal (=Gottesdienstraum) nutzen. Passau wird von Ortenburg (der Mutterkgemeinde) selbstständiger. (1846 werden die Pfarrei Landshut und 1854 die Pfarrei Straubing gegründet. Es gibt zu diesem Zeitpunkt also in ganz Niederbayern nur vier Kirchengemeinden: Regensburg, Ortenburg, Landshut und Straubing.)
1849
Erst im 19. Jahrhundert ziehen erste Evangelische ins Rottal. In Neumarkt St. Veit (damals: Neumarkt an der Rott) findet 1849 ein erster Abendmahlsgottesdienst mit 7 Teilnehmer*innen statt. Damals ist der Bayerische König der oberste Bischof (“summus episcopus”) aller Evangelischen in Bayern. Es gibt ein königliches Oberkonsistorium und zwei königliche Konsistorien in Ansbach und Bayreuth. Das Rottal gehört zum Konsistorium Bayreuth.
1851
In Passau wird eine erste evangelische Schule eröffnet.
1859
In Passau wird die evangelische Kirche eingeweiht und eine evangelische Pfarrei Passau ernannt mit zum damaligen Zeitpunkt 370 evangelischen Gemeindegliedern und 178 evangelischen Militärpersonen.
1879
Die Eisenbahnlinie durchs Rottal wird eröffnet. Für die Reiseprediger ist dies eine große Erleichterung. Sie müssen nicht mehr nur mit dem Fahrrad, mit Fuhrwerken oder Pferdeschlitten die verstreuten Gläubigen (Diaspora) seelsorgerlich betreuen, wo sie Krankenabendmahl feiern, Beerdigungen durchführen, sowie Konfirmandenunterricht und Taufen in den Häusern abhalten.
1883
Auf Antrag einiger evangelischer Pfarrkirchener Bürger findet 1883 in Pfarrkirchen ein erster evangelischer Gottesdienst im Rathaussaal statt. Bedingung ist allerdings, dass die Gemeinde selbst für Ruhe und Ordnung sorgt und Besucher*inen mit Einlasskarten Zutritt gewährt. Es kommen 23 Gottesdienstbesucher*innen. Von nun an dürfen in Pfarrkrichen pro Jahr zwei Gottesdienste gefeiert werden. - Nicht in allen Orten rundum werden evangelische Gottesdienste erlaubt. In Neumarkt an der Rott etwa spricht sich die katholische Bevölkerung mehrere Jahre lang dagegen aus. – Der damalige katholische Pfarrer in Eggenfelden verhindert, dass Evangelische Gottesdienste im Rathaussaal feiern dürfen.
1885
1885 leben im Bereich Eggenfelden 50 Evangelische, im Bereich Pfarrkirchen 157
1892
Einweihung des Konfirmandenhauses in Ortenburg.
1893
1893 wird in Eggenfelden, konkret im “Gerichtshaus” der Schlossökonomie in Gern ein erster evangelischer Gottesdienst gefeiert.
1896
In Pfarrkirchen wird eine Reisepredigerstelle eingerichtet. Zum damaligen Zeitpunkt leben im Bereich Pfarrkirchen etwa 150 Evangelische, im Bereich Eggenfelden etwa 80. Unterstützung erhält man vom Gustav-Adolf-Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Kirchengemeinden in der Diaspora finanziell zu unterstützen. Nur kann auch ein Reiseprediger finanziert werden.. Der Reiseprediger ist zuständig für Pfarrkirchen, Griesbach, Eggenfelden, Gangkofen und (wegen der Eisenbahnverbindung) Neumarkt an der Rott (damals noch Niederbayern). (Simbach ist mit der Bahn zum damaligen Zeitpunkt nur schwer zu erreichen und bleibt daher außen vor.) In Pfarrkirchen und Eggenfelden können von nun an jeweils 14 Gottesdienste im Jahr gefeiert werden. Im mehrheitlich evangelischen Franken und in anderen evangelischen Regionen Deutschlands findet man die Einrichtung der Reisepredigerstelle im katholischen Rottal so wichtig, dass Altarbibeln, Altarkreuz, Altarleuchter und Abendmahlsgeschirr ins Rottal gespendet werden.
1897
Gründung eine “Evangelischen Vereins” in Pfarrkirchen, mit dem Ziel, in Pfarrkirchen eine eigene evangelische Kirche zu bauen.
1898
Eröffnung der evangelischen Haushaltungsschule in Ortenburg.
1905
Der Evangelische Verein in Pfarrkirchen kauft das Pfarrhaus in der Dr.-Bayer-Straße
1906
In Pfarrkirchen finden nun 30 Gottesdienste im Jahr statt, in Eggenfelden 10.
1910
Pfarrkirchen wird zur Filialkirche von Ortenburg ernannt. (Neumarkt an der Rott kommt 1922 zu Mühldorf). Besondere Unterstützung erfährt die junge Gemeinde durch Mathilde Gräfin von Geldern-Egmont, einer aus Pommern stammendene evangelischen Witwe, die im Schloss Thurnstein in Postmünster lebt.
27.05.1912
Auch aufgrund der Unterstützung durch die Gräfin wird 1912 der Grundstein für die Christuskirche in Pfarrkirchen gelegt.
Drei Wochen nach Baubeginn droht der neu errichtete Giebel an der Südseite einzustürzen. Das Gerücht verbreitete sich in Windeseile und die Zeitung berichtete (hämisch) darüber. An der Er- und Einrichtung der Kirche waren namhafte Architekten und Künstler beteiligt. So wird z.B. die Orgel von der Orgelbaufirma (Steinmeyer) eingebaut, die auch die auch für die (weltgrößte) Kirchenorgel im Passauer Dom verantwortlich ist. Die Fenster hinter dem Altar werden von einem Künstler aus der Königlich Bayerischen Hofglasmalerei in Nymphenburg gefertigt. Der Taufstein, eine Altarbibel und das Abendmahlsgerät werden von der Kaiserin und Preußischen Königin gestiftet.
1913
Einweihung der evangelischen Christuskirche in Pfarrkirchen.
1918
Die evangelische Bevölkerung in Pfarrkirchen wechselt zu etwa 75 Prozent. In und um Eggenfelden leben etwa 40 Evangelische, die meist aus Baden Württemberg und der Pfalz zugezogen sind und im Rottal verwaiste Höfe übernehmen. Die Gottesdienste in Gern bzw. Eggenfelden finden etwa im dreiwöchigem Rhythmus statt. Religionsunterricht wird in der großen Küche einer evangelischen Familie abgehalten, der Konfirmandenunterricht in Pfarrkirchen. (Pro Jahr werden ein bis zwei Eggenfeldener Kinder konfirmiert.)
1921
Nach einem Brand im Gerner Schloss feiert man die evangelischen Gottesdienste nun im Eggenfeldener Rathaussaal.
1922
Die Reisepredigerstelle Pfarrkirchen wird zur Pfarrei erhoben und ist damit selbstständig. Im Jahr darauf wird erstmals ein Kirchenvorstand gewählt.
1926 (od. 1925?)
In Eggenfelden gründet sich ein “Evangelischer Verein”.
1927
Nachdem die Räumlichkeiten für die Gottesdienste im Eggenfeldener Rathaus aufgrund der wachsenden evangelischen Bevölkerung zu klein geworden sind, schenkt Baronin von Closen-Günderrode aus Gern der Gemeinde in Gern einen Bauplatz für einen Kirchenbau. Man entscheidet sich aber für die Gotteshaus in der Stadt und kauft 1928 den Saalbau einer Brauereiwirtschaf (den 1901 errichtete “Wolfsburger Sommerkeller”). Man beginnt, ihn für das Abhalten von Gottesdiensten umzugestalten.
27.09.1931
Einweihung des Betsaales (Gottesdienstraums) in Eggenfelden. - In Pfarrkirchen wird die Christuskirche Im Inneren grau getüncht.
1937
Die Reformations-Gedächtniskirche in Eggenfelden wir eingeweiht.
1944/1945
Zuzug Tausender Zwangsarbeiter*innen, Flüchtlingen und Vertriebenen. 1946 beträgt die Zahl der Evangelischen im Gemeindebereich 30.000. An 50 Orten der großen Kirchengemeinde Pfarrkirchen werden Gottesdienste und an 80 Schulen Religionsunterricht gehalten. Die Gemeinde ist arm. Ihr Reichtum sind Zehntausende von evangelischen Christ*innen. Seit 1945 sind den Pfarrkirchener Ortspfarrern jeweils Vikare zur Seite gestellt.
1946 -1968
Evangelische und katholische Kinder dürfen nicht zusammen unterrichtet werden, sondern nur noch in evangelischen bzw. katholischen Bekenntnisschulen.
1947
In Eggenfelden wird ein Exponiertes Vikariat errichtet. Die Predigtstation Eggenfelden wird damit selbstständiger.
1948
In der Oettinger Straße in Eggenfelden wird eine evangelische Bekenntnisschule eingerichtet. Bis 1965 haben evangelische Schüler*innen diese Schule zu besuchen, sofern sie nicht an eine höhere Schule wechseln.
1948
Bisher gehörte ganz Niederbayern zum Dekanat Regensburg. Nun wird ein neues Dekanat Passau geschaffen.
1951
Viele Pfarrkirchener Gemeindeteile werden selbstständiger: In Eggenfelden wird 1951 eine Evangelisch-Lutherische Pfarrstelle. – Die Reformations-Gedächtnis-Kirche erhält eine Empore. Im Jahr darauf wird die Altarwand erneuert und eine Treppe zur Empore eingebaut (die bis dahin nur über eine Leiter erreichbar war). Und 1956 zwei Räume links und rechts vom Haupteingang in das Kirchenschiff integriert, so dass 50 Sitzplätze hinzugewonnen werden können. .
1953
Einweihung des ersten Bauabschnitts des Diakonischen Werkes Christanger für (136 Jugendliche und 98 Senioren) mit
Ausbildungsmöglichkeit in der Weberei. Der Christanger betreibt bis heute zwei Heime für Senior*innen, einen Kindergarten und ein Schüler*innen-Wohnheim für Berufsschüler*innen
1954
Zusätzlich zur Pfarrstelle wird in Eggenfelden ein Vikariat eingerichtet, das 1971 zur zweiten Pfarrstelle aufgestuft wird.
1962
Abriss des alten Turmes der Reformations-Gedächtnis-Kirche (es handelte sich um einen Dachreiter) und Errichtung eines neuen als Anbau an das Kirchengebäude. Dadurch vergrößert sich das Platzangebot auf der Empore. Im Jahr zuvor erhielt die Kirche einen neuen Altar .
1970
Die Kirchengemeinde Eggenfelden zählt 1754 Gemeindeglieder.
1979/1980
Abbruch der Apsis und Neugestaltung der Reformations-Gedächtnis-Kirche sowie Abriss des Gemeindezentrums und völlige Neuerrichtung desselben, Zusätzlich wir im Kirchhof das Jugendhaus errichtet.
1986
Einbau der Jann-Orgel mit 14 klingenden Registern und 1020 Pfeifen.
2024
Die Reformations-Gedächtnis-Kirche heute.